Geometrisches Monitoring der Bremer Kogge

Das Projekt verfolgt die Konzeption und Durchführung des geometrischen Monitorings der Bremer Kogge (ca. 25m x 8m x 8m), dem weltweit am besten erhaltenen Handelsschiff des Mittelalters. Es wurde ein Konzept für großvolumige optische 3D-Messtechnik eingeführt, welches für die Analyse und Bestimmung von Deformationen eingesetzt wird.

Projektbeschreibung

Die Bremer Kogge ist dendrochronologisch auf das Jahr 1379 datiert. Das mittelalterliche Schiffswrack der Hanse ist einer der größten archäologischen Schiffsfunde und in einer Dauerausstellung im Deutschen Schifffahrtsmuseum zu sehen. Der Erhalt dieses Kulturgutes ist eine wichtige Aufgabe. Mit einem Messkonzept soll die Bestimmung von Deformationen der Kogge bei gleichzeitigem Erhalt des Museumsbetriebes und der Präsentation der Kogge für die Allgemeinheit langfristig ermöglicht werden.

     
Die Bremer Kogge im Deutschen Schifffahrtsmuseum

 

Mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven wurde eine Forschungskooperation geschlossen, die unter anderem die gemeinsame Durchführung des Monitorings der Bremer Kogge und die Entwicklung geeigneter Analysemethoden der Ergebnisse in Forschungsprojekten verfolgt. In 2020 konnte die Umsetzung des Messkonzepts realisiert werden. Bis September 2021 wurden drei Messepochen erfasst und ausgewertet.

2018 wurde für die Bremer Kogge ein Messkonzept für das geometrische Monitoring entwickelt, welches die Ermittlung von Deformationen der Kogge mit höchster Präzision erlaubt. Veränderungen in der Größenordnung weniger Millimeter sollen langfristig aufgedeckt werden, um den Wissenschaftlern am Schifffahrtsmuseum Aufschluss über das geometrische Verhalten dieses Kulturgutes zu geben und Entscheidungen zum Erhalt zu stützen. Die Kogge hat eine Länge von etwa 23m und umfasst eine Breite und Höhe von je etwa 8m. Für die Aufdeckung kleiner Deformationen im Millimeterbereich sind höchste Einzelpunktpräzisionen erforderlich, die mittels eines photogrammetrischen Messkonzeptes gewährleistet werden können.

     
Scan der Kogge (links) in der Koggenhalle zur Planung und Einbettung des Grundlagennetzes (rechts)

 

Zur Wahrung eines definierten geodätischen Datums zur langfristigen Deformationsanalyse besteht ein Grundlagennetz, welches in der Gebäudestruktur der Ausstellungshalle verankert ist. Eine Laserscannererfassung der Koggenhalle und der Kogge selber dienen zur Systemplanung und Visualisierung. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass das Grundlagennetz ein äußeres Netz darstellt, welches für das photogrammetrische Monitoring zu ungünstigen Schnittbedingungen führt. Das Grundlagennetz wird übergeordnet genau mittels Lasertracker-Netzmessungen vermessen. Adapter zur Aufnahme von 1.5“ SMR und 1.5“ Photogrammetrie-Halbkugeltargets mit zentrischer 2cm retro-reflektierender Messmarke erlauben die Kompatibilität der Messmethoden.

Retro-reflektierende Messmarken wurden für die zu erfassenden Objektpunkte angebracht; diese sind rückstandsfrei lösbar. Insgesamt wurden dazu bisher ~1000 Messpunkte an der Kogge und den Elementen des derzeitigen Stützgerüsts angebracht. Ergänzend wurden 500 codierte Messmarken für eine automatisierte Auswertung magnetisch montiert.


3D-Modell der Kogge mit Überlagerung der Messpunkte an der Kogge (Prinzipskizze)

 
Die photogrammetrische Erfassung erfolgt auf Basis komplexer Bildverbände, bei denen insbesondere die Simultankalibrierung des Messsystems und die Verknüpfung zum Grundlagennetz von erhöhtem Schwierigkeitsgrad sind. Dabei ist die Kogge zentrisch im Grundlagennetz eingebettet, aufgrund ihrer Form durch einen ausgeprägten Vordersteven jedoch zum Heck näher am Grundlagennetz. Die Punkte des Grundlagennetzes liegen außerhalb des eigentlichen Messobjektes, verteilt auf drei Besucherebenen. Dabei sind für die photogrammetrische Erfassung lediglich die zwei untersten Ebenen von Bedeutung. Das ist zum einen darin begründet, dass das Schiff nur bis zu diesen eine erfassbare Ausdehnung (Volumen) aufweist. Zum anderen ist die Lage der Punkte in der obersten Ebene im Verhältnis zum Messobjekt so ungünstig, dass diese nicht mit einem adäquaten Genauigkeitsniveau erfasst werden können. Die Erfassung der Grundlagenpunkte in der untersten Ebene ist dabei zusätzlich von höchster Qualität, da sie durch qualitativ und quantitativ hochwertigere Strahlenschnitte erfasst werden. Die photogrammetrischen Bildverbände werden mittels Bündelausgleichung, mit Lagerung auf Punkten des Grundlagennetzes, ausgewertet. Die photogrammetrischen Messungen werden mit einer AICON High End Digitalkamera DPA mit AICON Metric Lens durchgeführt. Zur Auswertung wid das AICON 3D Studio genutzt. Die abschließende Bündelausgleichung erfolgt mit AXIOS Software Ax.Ori. Mit den Messkampagnen werden in der Anfangsphase des Projektes jeweils das Grundlagennetz mittels Lasertracker-Netzmessung und das Koggenmonitoring mittels Photogrammetrie erfasst.


3D-Darstellungen des Bildverbands der Nullmessung mit beispielhafter Darstellung von Bildstrahlen (grün: Objektpunkte an der Kogge und Stützgerüst; weiß: Kamerastandpunkte und Bildstrahlen)

 
Perspektivisch soll ein Analyse- und Visualisierungskonzept zur Deformationsmessung der Bremer Kogge auf Basis der Messdaten entwickelt werden. Es wird ein Einfluss der Tide auf die Gebäudestruktur vermutet, da sich das Museum auf einer dem Festland vorgelagerten Halbinsel im Hafenbecken Bremerhavens an der Mündung der Weser zur Nordsee befindet. Damit ergibt sich für die Deformationsmessungen an der Bremer Kogge, dass die Datumsdefinition als nicht stabil angesehen werden kann. Der Tideeinfluss ist näher zu spezifizieren und im zu entwickelnden Analysekonzept zu berücksichtigen.

Artikel und Bücher

Schmik, J.; Hastedt, H.; Colson, A.; Luhmann, T. (2018): Photogrammetrisches Monitoring und Deformationsanalyse der Bremer Hanse-Kogge. Photogrammetrie, Laserscanning, Optische 3D-Messtechnik - Beiträge der Oldenburger 3D-Tage 2018, Luhmann/Schumacher (Hrsg.), Wichmann Verlag, ISBN 978-3-87907-643-7, 42-54

Vorträge

Hastedt, H. : Monitoring concept for deformation estimation of the Bremen Cog. Computer Application in Archeology (CAA) 2018, März 2018