Provenienz- und Sammlungsforschung Digital

In deutschen Museen befinden sich hunderttausende Objekte, die etwa in der Kolonialzeit durch Kriege, Raub oder Handel nach Europa gelangt sind. Welche Geschichte diese Objekte haben – woher sie kommen, welchem Zweck sie dienten und wer sie einmal besessen hat – ist oft nur lückenhaft dokumentiert. Hier setzt ein interdisziplinäres Forschungsteam um die Historikerin Prof. Dr. Dagmar Freist von der Universität Oldenburg, die Provenienzforscherin Prof. Dr. Lynn Rother (Leuphana Universität Lüneburg) und den Informatiker Prof. Dr. Sascha Koch (Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth) an. Im Vorhaben „Provenienz- und Sammlungsforschung Digital“ (ProSaDi) trägt das Team dieses Wissen gemeinsam mit Forschenden aus den sogenannten Herkunftsländern exemplarisch für zwei unterschiedliche Arten von Sammlungsgütern zusammen. Außerdem entwickelt es digitale Techniken, um die Informationen über die Sammlungsobjekte so aufzubereiten, dass sie einfach und allgemein zugänglich sind. Das Niedersächsische Wissenschaftsministerium (MWK) und die VolkswagenStiftung fördern das Projekt für vier Jahre mit knapp 3 Millionen Euro im Programm „Wissenschaftsräume“.

Zusammenfassung

Für die geschichts- und kulturwissenschaftlich basierte Provenienz- und Sammlungsforschung sowie für KI-basierte Forschung und Datenmodellierung ist der Umgang mit Überlieferungslücken, unsicheren Daten und der Problematik von Daten- und Wissens-Bias eine methodisch letztlich nicht gelöste erkenntnistheoretische, technische und praktische Herausforderung. Diese Grundkonstitution ist prädestiniert für eine kollaborative Forschungsperspektive, wie sie durch das Format der Wissenschaftsräume Niedersachsen verwirklicht werden soll. Der Wissenschaftsraum ProSaDi aus Geschichts-, Kultur-, Medien- sowie Ingenieur- und Geoinformationswissenschaften wird am Beispiel der Provenienz- und Sammlungsforschung zu „displaced objects“ aus kolonialen Kontexten bisher ungenutzte Möglichkeiten zur digitaltechnischen Unterstützung von Prozessen der Wissensgenerierung entwickeln, erproben und zur Weiternutzung über einschlägige Kulturdateninfrastrukturen aufbereiten. Die Einbeziehung von Partner:innen aus Herkunftsgesellschaften ist dabei essentiell.

Durch die Entwicklung eines komplementär ausgerichteten Konzepts zur forschungsorientierten Lehre an den Schnittstellen von KI und Kulturerbe sollen Studierende in transdisziplinär ausgerichteten Modulen aus- und weitergebildet und direkt in die Forschung einbezogen werden. Durch Einbindung von Landesmuseen, Archiven und des Netzwerks Provenienzforschung in Niedersachsen ist sichergestellt, dass auch praxisorientierte Fragestellungen verfolgt werden, die Ergebnisse des Wissenschaftsraums langfristig in musealen und archivischen Sammlungen genutzt werden und im Bildungsbereich zur Anwendung kommen können. Der Wissenschaftsraum verbindet somit transdisziplinäre Forschung, Digital-Humanities-Nachwuchsförderung, forschungsorientierte Lehre, Transfer und Modellbildung für den kontinuierlichen Prozess einer digital gestützten Provenienz- und Sammlungsforschung. Er ist modellbildend für digitalisiertes Kulturerbe und eCritical Heritage am Beispiel der Provenienz- und Sammlungsforschung in Niedersachsen.

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